Migration is a right! Deportation is a crime!

Hamburg, Januar 2016: Mitten in der Nacht dringen Polizist*innen auf das Gelände der Unterkunft am Kiwittsmoor, umstellen eines der Häuser und dringen um vier Uhr morgens in die Wohnung einer friedlich schlafenden afghanischen Familie ein, darunter eine hochschwangere Frau. Sie sollen nach Ungarn abgeschoben werden – in ein Land, das die internationalen und EU-Standards hinsichtlich Asyl, Menschenrechten und Haftbedingungen nicht anerkennt. Hamburg, im Februar 2016: Der Golden Pudel Club wird Opfer einer Brandstiftung. Unser Nachbar Kofi, ein Refugee von Lampedusa in Hamburg, der neben dem Club wohnte und wichtiger Zeuge der Tat ist, wird in Abschiebehaft genommen und im März schließlich nach Italien deportiert, wo er keinerlei staatliche Unterstützung erhält. Hamburg, seit Monaten werden immer wieder Roma und Romnija, in ihren Herkunftsländern rassistisch diskriminiert und des Zugangs zu existenziellen Gütern wie Wasserversorgung, Wohnraum oder Bildung beraubt, als „Wirtschaftsflüchtlinge“ stigmatisiert und ins Elend abgeschoben.

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Mit dem Aufschwung der rechten Hetze und Stimmungsmache von Pegida und AfD sind die regierenden Parteien in Bund und Ländern immer mehr auf eine Politik der Abschottung, der Ausweisung und der Einschränkung grundlegender Rechte eingeschwenkt. Menschen, die geflüchtet sind, werden als „Problem“ markiert, für das eine „Lösung“ gefunden werden müsse. Nachdem das sogenannte Dublin-System gescheitert ist, werden an Europas Grenzen nun neue Mechanismen der Unterbindung und Regulierung von Migration installiert. Neben der Rückkehr von Zäunen und Stacheldraht vollzieht sich eine neuerliche Militarisierung Europas – zuletzt mit dem EU-Türkei-Deal, welcher erlaubt alle Menschen, die Griechenland erreichen, ohne Asylverfahren direkt in die Türkei abzuschieben. Mit den Asylrechtsverschärfungen diesen und letzten Jahres wurden die gesetzlichen Grundlagen gelegt, um eine drastische Abschiebepolitik zu etablieren. Die Bundesregierung schreckt dabei nicht davor zurück, immer mehr Länder als „sicher“ zu deklarieren – trotz nachweislicher Verfolgung von Minderheiten, trotz rassistischer Ausgrenzung oder Krieg – sowie Abkommen mit Ländern wie Afghanistan zu treffen, die die Abschiebung von Asylbewerbern dieses Landes erleichtern. Die Gesetzesverschärfungen erlauben außerdem Abschiebungen, die ohne Ankündigung quasi aus dem Nichts erfolgen, sowie eine geschlossene Unterbringung im Rahmen der Schnellverfahren, wodurch eine Kontaktaufnahme zu Aktivist*innen und Anwält*innen ausgeschlossen wird.

Auch der rot-grüne Senat in Hamburg zeigt sich in dieser Hinsicht von seiner unmenschlichen Seite. Die Zahl der „Rückführungen“ stieg in der Hansestadt von 1.304 (2014) auf 2.160 (2015), darunter 712 gewaltsam durchgesetzte Abschiebungen. Jede bzw. jeder dritte Abgeschobene ist noch ein Kind bzw. im schulpflichtigen Alter! Weit mehr Personen sind bedroht, mehrere tausend Menschen leben in unserer Stadt in ständiger Angst, mitten in der Nacht von Uniformierten aus dem Schlaf gerissen und „abgeholt“ zu werden, weil sie von irgendwelchen Bürokrat*innen als „ausreisepflichtig“ deklariert wurden. Abschiebungen – was bedeutet dieses Wort? Abschiebungen zerreißen Familien, Abschiebungen entwurzeln Menschen aus ihrem sozialen Umfeld, Abschiebungen versetzen Betroffene zurück in Lebenssituationen, aufgrund derer sie migriert sind, bzw. in Länder, in denen sie nie zuvor gewesen sind, da sie bereits in Deutschland geboren wurden. Eine Abschiebung ist der praktische und gewaltsame Entzug von Freiheit und Freizügigkeit, des Rechtes auf Stadt als Recht zu Bleiben.

Um die Abschiebemaschinerie noch effektiver zu machen, plant der Senat nun auch noch den Bau eines Knastes am Flughafen. Ein sogenannter „Abschiebegewahrsam“ soll bis zu 20 Menschen für mehrere Tage festhalten, um sie dann per Flugzeug in Leid und Elend zu verfrachten. Die unsägliche Tradition, Migrant*innen und Geflüchtete als Kriminelle zu behandeln, wird damit wieder aufleben bzw. weiter verfestigt.

Dabei hat Hamburg – wie viele andere europäische Städte – nicht erst seit der großen Migrationsbewegung letzten Sommer auch eine andere Seite bewiesen: ein Hamburg des Willkommens und der Solidarität, der gelebten Hilfsbereitschaft und der Menschlichkeit im Alltag. Neu-Hamburger*innen haben sich dagegen gewehrt, dass ihnen grundlegende Rechte verweigert wurden: Lampedusa in Hamburg, die seit 2013 für einen gesicherten Aufenthalt, Arbeitserlaubnis und Rechte kämpfen, Hamburger Roma und Romnija, die im September 2015 den Michel besetzten, und viele andere. Insbesondere Schüler*innen waren es, die immer wieder auf die organisierte Unmenschlichkeit von Abschiebungen aufmerksam gemacht und sich für ihre bedrohten Mitschüler*innen eingesetzt haben – ob für Fabiola, Ayodele, Jia Li und Jia Ru, Amad oder Seherezada. An vielen Stellen regt sich bereits der Widerstand gegen Abschiebungen, jetzt ist an der Zeit unsere Kräfte zu vereinen. Übersetzen wir die alltägliche Solidarität in eine lautstarke Bewegung, die sich sowohl den kleingeistigen Anwohner*innen in einigen Bezirken wie der gewaltsamen Abschiebepraxis des Senats entgegenstellt, und sich für ein Hamburg für alle stark macht!

Hamburg 2020: ein Hamburg, das als sicherer Hafen Migrant*innen willkommen heißt und Schutzsuchenden wie Exilant*innen Obdach gewährt. Ein Hamburg, in dem nicht Tausende aus Angst vor der Gewalt der Behörden in die Illegalität abtauchen müssen. Ein Hamburg, in dem soziale und politische Rechte unabhängig von einer zufällig erworbenen Staatsangehörigkeit gelten.

Lasst uns unsere Kräfte vereinen und lasst uns endlich gemeinsam für eine Stadt des Ankommens und Bleibens kämpfen. Lasst uns zusammen aufstehen für eine Stadt, die soziale Rechte für alle schafft. Schluss mit den nächtlichen Überfallkommandos auf unbescholtene Bürger*innen unserer Stadt! Und Schluss mit den Abschiebungen!

Kommt alle zur Demonstration: Samstag, 14. Mai
Recht auf Stadt heißt Recht zu Bleiben!

Samstag, 14. Mai, 12 Uhr, St. Pauli Fischmarkt
Bündnis Recht auf Stadt – Never Mind the Papers

—- English version —-

Migration is a Right! Deportation is a Crime!

Hamburg, January 2016: In the middle of the night police officers arrive on the site of an accommodation for refugees in Kiwittsmoor, surround one of the houses and storm the apartment of a peacefully sleeping family from Afghanistan at 4am. The family, the wife being heavily pregnant, is about to be deported to Hungary, a country that does not respect the international and EU standards of asylum, human rights and detention. Moreover, since the building of the wall along its Serbian border, access to asylum in Hungary has become virtually impossible. Hamburg, February 2016: The Golden Pudel Club is burnt down. Our neighbor Kofi, a refugee from Lampedusa in Hamburg that lives next to the Club and is an important witness of the crime is taken into deportation custody and then deported to Italy in March, where he will not be able to access state support. Hamburg 2015 and 2016: Roma and Romnija that are discriminated against for racist reasons in their home countries and are deprived of essential rights like housing, education or water supply are stigmatized as „economic refugees“ and are deported into misery.

With the rise of right-wing agitation and propaganda by Pegida and AfD, the ruling parties in Germany have more and more switched their policies towards sealing-off borders, deporting migrants and restricting basic human rights. People that have been forced to flee are marked as „problem“ that has to be „solved“. After the collapse of the so called Dublin-System, new mechanisms to push back, deport and restrict the mobility of migrants and refugees have been installed at the borders of Europe; beyond the re-emergence of fences and walls, and a renewed militarization of Europe, the EU-Turkey deal currently allows to deport back to Turkey all those who arrive to Greece, without subjecting them to a proper asylum procedure and preventing them from making their way into Europe. In Germany, the recent tightening of the asylum law has laid the legal foundation for a more drastic deportation policy. The government doesn’t hesitate to declare more and more countries as „safe“ – despite documented persecution of minorities, marginalization or war and increase the cooperation which countries such as Afghanistan in order to more easily deport asylum seekers originating from there. Moreover, with the new law, deportations do not need to be communicated previously to deportees; and asylum seekers on fast-track will be hosted in closed accommodation centres not accessible to activist or lawyers.

The SPD/Green senate in Hamburg also shows its inhuman side in this respect. The number of deportations has increased in Hamburg from 1.304 (2014) to 2.160 (2015), with 712 of these being deportations under the use of force. Every third person that is deported is still a child and going to school! Many more people are threatened with deportation, which means that they have to live in constant fear of being caught while sleeping by the police because their right to stay has expired or has been rejected by some bureaucrats. Deportation – what does this word mean? Deportations tear apart families, deportations alienate people from their social environment, deportations force people back into the situations for which they migrated in the first place… A deportation is the practical and violent deprivation of freedom and of freedom of movement, of the right to the city and the right to stay. To make the deportation machinery more effective the senate of Hamburg is now also planning the construction of a prison with up to 20 places at the airport. In this center for „detention pending deportation“, people are supposed to be imprisoned for a few days before they are deported into misery. The unspeakable tradition of treating refugees and migrants as criminals will again thrive and be strengthened.

But Hamburg – like many other cities – has already shown a different face. Not only concerning the large migration movement last summer, Hamburg has proven to be a city of Welcome and Solidarity, of practiced readiness to help and of humanity in everyday life. New Hamburger citizens have resisted being deprived of their basic rights: Lampedusa in Hamburg, who are fighting for the right to stay, working permits and basic rights since 2013, Roma and Romnija that have occupied the St. Michael church in September 2015, and many more. Especially school students have repeatedly drawn the attention to the organised inhumanity of deportations and have campaigned for their threatened classmates – for Fabiola, Ayodele, Jia Li and Jia Ru, Amad and Seherezada. Resistance to deportation is already in place, let’s put our efforts together! Let’s transform the everyday solidarity into a loud movement that opposes both the violent deportation policy of the senate, as well as the anti-immigrant actions of the residents of some districts, and let’s campaign for a Hamburg for everyone!

Hamburg 2020: a Hamburg that welcomes all migrants and refugees and provides shelter for those seeking protection. A Hamburg in which thousands don’t have to disappear into illegality because of their fear of the authorities’ violence. A Hamburg, in which social and political rights hold independently of a coincidentally gained nationality. Let’s organize, take action and fight for a city of arrival and stay, a city of social rights for everyone. Stop the nightly attacks on innocent citizens! Stop deportations!

Come to our demonstration: Saturday, 14 May
Right to the city means right to stay!

Saturday, May 14, 12 a.m., St. Pauli Fischmarkt
Alliance Recht auf Stadt – Never Mind the Papers